Der Kleine Michel zu Hamburg

Kleiner Michel Luftbild von NordenKleiner Michel -
wo Hamburg über sich hinauswächst...

... da entsteht Anfang des 17. Jahrhunderts die Neustadt. Ein Gebiet zwischen Gänsemarkt und Landungsbrücken, Baumwall und Dammtor wird durch eine neue Stadtbefestigung hinzugewonnen, die Hamburg unbeschadet durch den 30jährigen Krieg führen wird. Hamburg verdoppelte dadurch seine Fläche und wächst über die alten Stadtmauern hinaus. Der Kleine Michel markiert den Ort des ersten evangelischen Kirchbaus in Hamburg in diesem neuen Stadtteil. Erst eine Friedhofskirche vor den Mauern, dann wachsende Gemeindekirche im damals schon durch Flüchtlinge internationalsten Teil der Stadt. Als dann der Kleine Michel zu klein wurde, begann man 1647 den Großen Michel etwas weiter oberhalb zu bauen. Zwar wird der Kleine Michel 1747 abgerissen, aber drei Jahre später brennt der Große Michel ab. Und weil Großbauwerke schon damals länger dauerten (und teurer wurden), als ursprünglich geplant, entstand als Ausweichkirche der Kleine Michel an altem Ort 1757 neu und gibt es seitdem wieder nebeneinander den Großen und den Kleinen Michel zu Hamburg.

Kleiner Michel 1870Kleiner Michel -
wo Hamburg seine französische Seite hat...

... da wurde der Kleine Michel in der 'Franzosenzeit' katholisch. Die drei Jahre 1811-1813, in denen Hamburg unter Napoleon I. zu Frankreich gehörte, waren harte Kriegsjahre mit viel Entbehrung und Leid für die Bevölkerung (und die Hamburger Kaufleute). Aber es waren auch Jahre, in denen alte Rechtsstrukturen und Unfreiheiten überwunden wurden: alle (wenn auch nur männlichen) Bürger wurden gleichberechtigt, Zunftschranken und andere Berufsbeschränkungen wurden aufgehoben und die Religionsfreiheit durchgesetzt. Nichtlutherische Protestanten (Reformierte und Mennoniten), Juden und Katholiken wurden jetzt frei und gleichberechtigt und mussten nicht mehr auf die "Große Freiheit" in's dänische Altona ausweichen. Da der neue Große Michel schon lange fertig war konnte der Kleine Michel zur ersten katholischen Kirche innerhalb Hamburgs werden. Er wurde dem aus Frankreich stammenden Heiligen Ansgar (+864), dem Gründer der Kirche in Hamburg und Skandinavien geweiht. Der Kleine Michel konnte katholisch bleiben, auch wenn die Ratsherren andere Freiheiten nach dem Abzug der Franzosen erst mal wieder zurück genommen haben. - 140 Jahre später, nach den schrecklichen Zerstörungen des II. Weltkrieges waren es wieder Franzosen, die den Kleinen Michel neu aufbauten. Mit Spendengeldern aus Frankreich wurde ein Zeichen der Völkerverständigung auf dem europäischen Kontinent gesetzt und Hamburg, die heimliche Schwester Londons, auch zur heimlichen Schwester von Paris. - Ein Kirchenfenster aus dem 19. Jahrhundert in der Tür zur Beichtkapelle zeigt den als Heiligen verehrten König Ludwig IX von Frankreich. Den Platz vor dem Kleinen Michel schließt eine Figur des fränkisch Kaiser Karl des Großen, den Deutsche und Franzosen zu ihren Gründungsfiguren zählen. Bis heute beherbergt der Kleine Michel die Französische Katholische Gemeinde von Hamburg.

Kleiner Michel -
wo Hamburg das Tor zur Welt ist...

... da findet man am Kleinen Michel heute so viele Nationen zusammen in einem Gottesdienst, wie wohl in keiner anderen Gemeinde der Stadt. Das hat Tradition. Schon im 19. Jahrhundert fanden sich in der Kleinen Michaeliskirche Auswanderer aus vielen Ländern Europas wieder, die weiter wollten in die Neue Welt - und vielfach ihre neue Welt in Hamburg fanden. Heute gehören zur Gemeinde des Kleinen Michel nicht nur Christen aus ganz Europa, sondern auch aus Afrika, Asien und Amerika. Ein Tor zur Welt inmitten der Stadt. "Servate unitatem spiritus in vincolo pacis" hat der französische Baumeister nach dem II. Weltkrieg über das Portal des neuerstandenen Kleinen Michel schreiben lassen "Bewahrt die Einheit des Geistes indem ihr fest dem Frieden verpflichtet seid" (vgl. Eph 4,3). Das Tor offen zu halten zu Gott und zur Welt, das ist heute die Aufgabe des Kleinen Michel als Römisch-Katholische Kirche in der Freien und Hansestadt Hamburg. An diesem Ort sind die Katholiken heute mit den vielen Christen aus der lutherischen, den anderen evangelischen und den  orthodoxen Traditionen freundschaftlich verbunden.

 

 

Geschichte des Kleinen Michel im Überblick

ca 1600 Bau einer (Friedhofs-) Kapelle mit Turm, Wetterfahne und Glocke
1605 erster regulärer Gemeindegottesdienst
1647 kauft die inzwischen entstandene Neustadt-Gemeinde der Gemeinde St. Nikolai diese erste Michaelis-Kirche Hamburgs ab, baut aber bereits wegen der zunehmenden Bevölkerung nebenan am Krayenkamp den
1661 fertiggestellten ersten "Großen Michel". Der "Kleine Michel" verfällt und wird
1747 ganz abgetragen.
1750 brennt der "Große Michel" durch Blitzschlag am 10. März nieder.
1754 wird der "Kleine Michel" durch eine private Donation als Notkirche wieder aufgebaut.
1762 wird der neu errichtete Große Michel am 19. Oktober feierlich eingeweiht.
1807 halten spanische Truppen Napoleons im beschlagnahmten "Kleinen Michel" den ersten katholischen Gottesdienst.
1811 wir der "Kleine Michel" offiziell zur römisch-katholischen Kirche, die am 3. Februar auf den Namen St. Ansgar geweiht wird.
1814 ziehen die französischen Truppen aus Hamburg ab; hier wird weiterhin katholischer Gottesdienst gefeiert.
1824 kaufen Senat und Bürgerschaft den "Kleinen Michel" der evangelischen "Großen Michaeliskirche" für 30.000 Mark ab und überlassen das Bauwerk den mittlerweile 6. 000 katholischen Mitbürgern der Stadt für einen Bruchteil der Kaufsumme.
1830 wird die Kirche so durchgreifend renoviert, dass fast ein Neubau entsteht.
1865 zum 1. 000 Todestag Ansgars erhält der Kleine Michel aus Osnabrück eine Unterarmreliquie des Heiligen.
1945 wird durch alliierte Sprengbomben am 11. März die barocke Kirche völlig zerstört.
1955 wird die jetzige Kirche am 10. Juli auf den Fundamenten des ersten Kirchbaus in der Hamburger Neustadt eingeweiht. Der Bau wurde nach Plänen des französischen Architekten Jean-Charles Moreux erstellt. Die Hälfte der Baukosten wurde durch den französischen Generalkonsul in Hamburg zur Verfügung gestellt. Bernhard von Clairveaux wird Co-Patron der Kirche.
1977 Umbau der Kirche im Sinne der 70er Jahre -erste Umgestaltung
2006 Die Jesuiten übernehmen die Verantwortung für die Seelsorge am Kleinen Michel und verlegen ihre Hamburger Kommunität mit 7 Patres hier her.
2011 200 Jahre nach der letzten lutherischen Predigt im Kleinen Michel: Dialogpredigt des Pfarrers vom Kleinen mit dem Hauptpastor vom Großen Michel.
2012/13 Sanierung und zweite Umgestaltung die den Kirchenraum im Sinne von Jean-Charles Moreux wieder herstellt. Architekt der Sanierung ist Klaus Dörnen aus Oldenburg/Holstein. Erneute Kirchweihe am 1. September 2013.